„Ich bin froh, dass wir wieder alle zusammen in der Klasse sein können“
Nasya (links) und Hayat besuchen die Grundschule Krefelder Straße in Duisburg. Beide sind froh, dass der Schulunterricht wieder in Präsenz stattfinden kann. © Maximilian Mann
Was hat die Coronazeit mit Grundschüler*innen gemacht? Zwei Mädchen aus Duisburg-Rheinhausen erzählen, wie sie die Zeit des Homeschoolings erlebt haben – und wie sehr sie sich freuen, wieder in die Schule gehen zu können.
Als die Schulen geschlossen waren, hat Nasya (9) ihre Freundinnen und Freunde sehr vermisst. Jetzt ist der Unterricht im Klassenraum wieder möglich, und das Mädchen aus Duisburg schlendert mit seinem rosa Rucksack über den Pausenhof der Grundschule Krefelder Straße. Nasya sucht kurz nach den richtigen Worten, um zu beschreiben, wie sich der Lockdown angefühlt hat: „Manchmal“, sagt sie, „war ich genervt, manchmal war ich traurig. Ich wollte so gerne in die Schule.“
Die Coronapandemie hat viele Schwächen des Bildungssystems sichtbar gemacht. Trotz aller Widrigkeiten mussten die Lehrkräfte jeden Tag versuchen, ihre Schüler*innen zum Lernen zu motivieren. Besonders bei den Kleinsten war das nicht immer einfach. „Es ist halt doof, wenn man nur vor einer Videokamera sitzt“, sagt die Drittklässlerin.
Im Unterricht zeigt sich: Nasya ist ein aufgewecktes, kluges Mädchen. Wenn sie spricht, lacht sie oft. Ihre Lieblingsfächer sind Deutsch, Schwimmen, Sport und Mathe. „Und Kunst finde ich auch super“, sagt sie. Dann präsentiert sie stolz einen Schuhkarton. Im Inneren: ein Minipferd in Bauernhofumgebung, daneben ein Mädchen mit blonden Haaren. „Wir haben mit unserer Lehrerin erst eine Geschichte gelesen und dann dazu etwas gebastelt“, erklärt die Schülerin.
Basteln konnten Kinder im Lockdown auch zu Hause. Zumindest theoretisch. Nicht bei jeder Familie liegen immer Buntstifte, Zeichenpapier und Wasserfarben bereit. Außerdem hat das Gemeinschaftserlebnis gefehlt. Ein Lob per E-Mail fühlt sich halt nicht so gut an wie die anerkennenden Worte einer Mitschülerin oder eines Mitschülers. „Ich bin froh, dass wir jetzt wieder alle zusammen in der Klasse sein können“, sagt Nasya.
Um aufzuholen, was während Corona auf der Strecke geblieben ist, ist in Nordrhein-Westfalen im November des Jahres 2021 das RuhrFutur-Programm students@school gestartet: Studierende unterstützen Lehrkräfte im Unterricht und können ganz gezielt auf Fragen einzelner Schüler*innen eingehen. Im Fokus steht dabei die Förderung von Basiskompetenzen in den Kernfächern Mathe, Deutsch und Fremdsprachen. „Das ist echt toll“, sagt Nasya, „denn beim Homeschooling wusste ich oft nicht, wen ich fragen konnte, wenn ich mal etwas nicht ganz verstanden habe.“
Hayat (8) trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Daydreamer Forever“. Eine Tagträumerin ist das Mädchen aber keineswegs. „Ich gehe gerne zur Schule und will aufs Gymnasium“, sagt die Drittklässlerin. Dabei strahlt sie wie der lachende Smiley auf ihrem weißen Hemd.
„Besonders das Rechnen macht mir Spaß“, sagt Hayat, „und ich mag Kunst und den Schwimmunterricht.“ Die Seepferdchen-Prüfung hat sie schon bestanden, bei schönem Wetter geht sie oft mit ihrer Mutter an den See. „Eigentlich hat Mama mir beigebracht, wie man schwimmt.“
In der Coronazeit hat Hayat gelernt, was es bedeutet, selbstständig zu sein. Die Eltern des Mädchens sind voll berufstätig. Ihr Vater arbeitet bei einer Fast-Food-Kette, ihre Mutter macht sauber in einer Zahnarztpraxis. Es sind Jobs, die auch im Lockdown gebraucht wurden. Hayats Oma, der Onkel und die Tante halfen der Familie, ihren Alltag zu organisieren. „Trotzdem hatte ich öfter mal sturmfrei“, sagt die Achtjährige, „aber ich bin ein vernünftiges Mädchen.“
In Hayats Kinderzimmer steht ein Keyboard. Sie liebt es, darauf zu spielen, und träumt von einer Karriere als Musikerin. „Ich möchte mich aber noch nicht festlegen, was ich später einmal werden möchte“, sagt sie.
Die Zeit des Homeschoolings sei „ganz okay“ gewesen, sagt Hayat. Ihr Blick verrät aber, dass „ganz okay“ sehr weit entfernt ist von „ganz toll“. Hayat weiß: Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Ihr größter Wunsch ist es daher, dass sie weiter zur Schule gehen kann. „Vor Corona war das für mich ja ganz normal. Aber dann hat sich gezeigt, dass Schule eben nicht selbstverständlich ist.“
Unzählige Stunden hat Hayat vorm Laptop-Bildschirm gesessen, Aufgaben erledigt und Videokonferenzen verfolgt. Jetzt, in ihrem Klassenraum in der Grundschule Krefelder Straße in Duisburg, bearbeitet das Mädchen ein Mathearbeitsblatt. Wenn sie mal nicht weiterweiß, fragt sie ihre Freundin Nasya um Rat. „Mit anderen Kindern reden, also in echt, nicht nur mit Mikrofon und Kamera – das hab ich in der Coronazeit echt vermisst.“
In ihrer Klasse begleitet jetzt regelmäßig eine Studentin der Uni Bochum den Unterricht. Kristin Kraft (26) kann sich ganz gezielt mit einzelnen Schülern beschäftigen und auf ihre Bedürfnisse eingehen. „Das ist wirklich toll“, sagen Hayat und Nasya, „weil sie sich viel Zeit für uns nehmen kann.“
Aus Gründen des Datenschutzes wurden die Namen der Schüler*innen von der Redaktion geändert.